Die Klinik für Geburts-Medizin führt das Projekt „Babylotse plus Charité“ durch – ein psychosoziales Frühwarnsystem für Familien.
Die Geburtsmedizin der Charité ist eine Klinik mit zwei Standorten (Charité Virchow/ Charité Mitte). Sie ist ein sogenanntes Perinatalzentrum Level 1 für Geburtshilfe bei Hochrisiko-Schwangeren. Sie ist gleichzeitig eine Geburtsklinik für die Umgebung (Bezirk Berlin-Mitte) mit einem psychosozial sehr hoch belastetem Klientel.Im ersten Lebensjahr sterben mehr Kinder infolge von Vernachlässigung und Misshandlung als in jedem späteren Alter. Überforderung, fehlende familiäre Unterstützung, Depression und andere psychische Störungen der Eltern, Drogen- und insbesondere Alkoholkonsum sowie fehlende oder ungenügende Eltern-Kind-Bindung können dem vorausgehen. Ein erfolgversprechender Schutz für Kinder sollte früh, spätestens um die Geburt herum, beginnen.
Deshalb wurde ein differenziertes Frühwarnsystem durch Screening unter Einbezug auch von unspezifischen Wahrnehmungen von für Familien qualifizierten Personal systematisch eingesetzt und ausgewertet. „Babylotse plus“ schließt hier eine wichtige Lücke.
In der Schwangerenberatung, bei der Aufnahme zur Geburt oder auf der Entbindungsstation werden alle Mütter/Familien über die Möglichkeit der Unterstützung durch eine Babylotsin (spezifisch geschulte Sozialpädagogin) informiert. Dazu werden u.a. Flyer ausgehändigt.
Die Teilnahme bleibt möglichst freiwillig, da in Studien gezeigt wurde, dass erzwungene Hilfen weniger effizient oder gar kontraproduktiv sind. Das Angebot ist nicht mit Kosten für die Familien verbunden, da ja gerade sozial schwache Familien Unterstützung benötigen.
Für das Screening wurde ein spezieller Bogen als Risiko-Inventar entwickelt. Dieser Screening-Bogen wird in der Schwangerenberatung oder im Kreißsaal durch Hebammen anhand der Anamnese ausgefüllt. Zeigt der Screening-Bogen einen auffälligen Score, wünscht die Mutter selbst ein Gespräch oder es erfolgt ein Hinweis von erfahrenen Krankenschwestern, Hebammen oder Ärzten, führt die Babylotsin ein Klärungsgespräch.
Erweist sich weiterer Hilfebedarf, erstellt die Babylotsin gemeinsam mit der Mutter/ den Eltern einen verbindlichen Hilfeplan und vermittelt die Familie in das bestehende soziale Netzwerk. Zugleich steht den Familien aber auch ein Netzwerk von Unterstützern innerhalb der Charité zur Verfügung.
Die Babylotsen checken ca. 80 Prozent aller 4500 Geburten per Screening-Bogen auf Risiko-Faktoren. Knapp die Hälfte aller Familien weist Belastungsfaktoren auf, denen in einem klärenden Gespräch nachgegangen wird.
Mit dem Aufbau des Projekts wurde im April 2012 begonnen. Die Anschub-Finanzierung für das Praxisprojekt konnte für 2 Jahre über eine Stiftung gesichert werden. Um die Fortführung des Projekts zu sichern, sagte „Ein Herz für Kinder“ finanzielle Unterstützung zu.