Kathmandu (Nepal) – Manchmal hat der Arzt Tränen in den Augen, wenn er dem kleinen Sujal (5) hilft. Dann weint der Junge nicht allein.
Ein roter Backsteinbau in Sankhu, einem Vorort von Kathmandu, der Hauptstadt von Nepal. Früher war es das Haus der Hoffnungslosen, eine Lepra-Station. Heute ist es für viele Kinder die letzte Hoffnung. Ein Krankenhaus mit 100 Betten, OP-Sälen und einem Ärzteteam aus plastischen Chirurgen, finanziert vom Verein „Interplast“ (2000 Mitglieder in Deutschland).
Die BILD-Hilfsorganisation „Ein Herz für Kinder“ unterstützt den Verein.
Seit dem Sommer ist Sujal hier Patient. Der Junge hatte schwerste Verbrennungen erlitten, als in seinem Heimatdorf, 700 Kilometer entfernt, ein Stall niederbrannte. Als das Feuer endlich gelöscht war, konnte seine Familie ihn nicht in den Trümmern finden.
Der verkohlte Körper lag zusammengekrümmt in einer Ecke. Erst als der Großvater ihn mit dem Fuß anstupste, gab der völlig entstellte Sujal ein Lebenszeichen von sich.
Mehr als 50 Prozent seines Körpers waren verbrannt. Im nächsten Krankenhaus konnte niemand etwas für Sujal tun. Die Mutter sollte ihn wieder nach Hause bringen – zum Sterben!
Sujal sei ein „Untoter“, sagen die Menschen in seinem Dorf, sein Körper ist grauenhaft entstellt. Drei Monate pflegt die Mutter ihn mit allem, was die Natur hergibt. Zerriebene Bären-Knochen, Kräuter, zerstampfte Blätter – damit reibt sie die offenen Wunden ein.
Durch Zufall erfährt einer der 92 Mitarbeiter des Sushma Koirala Memorial Hospitals in Kathmandu von Sujals Schicksal. Chefarzt Dr. Santosh lässt den Jungen sofort kommen. Drei Tage und drei Nächte ist die Mutter mit dem Kind unterwegs, das mehr tot als lebendig ist.
Die Ärzte sehen: Der Junge muss sofort operiert werden, jede Stunde zählt. Sie schaffen es, Sujal aus dem Reich der Untoten zurückzuholen.
Drei Monate später muss Sujal noch alle zwei Tage zum schmerzhaften Verbandswechsel. Er weiß ganz genau, was auf ihn zukommt und klammert sich jedes Mal an seiner Mutter fest. Es hilft nichts: Sie muss raus, die Infektionsgefahr.
Jetzt ist Dr. André Borsche (68), plastischer Chirurg aus Deutschland, da. Er ist erst vor Stunden in Kathmandu angekommen, hat noch Jetlag. Aber jetzt zählt nur Sujal. Dr. Borsche untersucht ihn. Der Verbandswechsel. Es muss sein.
Draußen vor der Tür ist erst Sujals leises Wimmern zu hören. Das „Mama“ steigert sich in lautes „Mamaaaaa“ – und endet im herzzerreißenden „MAMA“. Das ist der Moment, in dem auch einem Arzt manchmal die Tränen kommen.
Aber Sujals Heilung geht toll voran. Chefarzt Dr. Santosh: „Wenn es so weitergeht, kann er bald heim. Ich bin selbst überrascht, wenn ich daran denke, wie Sujal hier bei uns ankam.“
Wenn der Junge in seinem Krankenbett sitzt, kann er draußen Schulkinder auf einem Sportplatz laufen, springen, Fußball spielen sehen. Sein Wunsch, wenn er entlassen wird: ein Ball, damit er eines Tages auch spielen kann. Der Junge lächelt, als er das sagt.
Dr. André Borsche (68) nimmt Urlaub, um in Nepal verletzte Kinder zu operieren
Dr. Borsche: „Wenn dich ein gerettetes Kind anlächelt, ist das unbezahlbar. Das ist eine innere Zufriedenheit, die mit nichts zu vergleichen ist.“
Seit mehr als 30 Jahren hilft der Plastische Chirurg mit seiner Frau Eva (68, Ärztin) in den entlegensten Ecken der Welt Kindern, denen sonst keiner mehr helfen würde. Dafür opfern sie immer ihren Urlaub. Jetzt, in Kathmandu, ist auch Sohn Ravie (29, Medizinstudent) dabei.
Oft geht es um Lippen-Gaumenspalten, entstellende Tumore, angeborene Fehlbildungen und häufig entsetzliche Brandverletzungen.
Nikkis Bein lag stundenlang im Feuer
So wie bei Nikki (3), die im Zimmer neben Sujal liegt. Das Mädchen wurde nach einem Erdrutsch unter den Trümmern ihres Elternhauses eingeklemmt. Ihr linker Unterschenkel lag stundenlang an der Feuerstelle, bevor sie gerettet werden konnte. Das Fleisch war bis auf den Knochen weggebrannt. Vor zehn Wochen war das.
Nikkis (3) Bein wurde auf einer Feuerstelle eingeklemmt
Wie soll man dieses Bein retten, in diesem bitterarmen Land zu Füßen des Himalaya?
Dr. Santosh hat es geschafft, transplantierte in einer 13-stündigen OP Knochenteile aus dem Rücken, dazu Muskelgewebe und Haut in Nikkis Unterschenkel. Vom Ergebnis ist Dr. Borsche begeistert: „Unter den hiesigen Voraussetzungen ist das perfekt!“
Nikki wird wieder laufen können. Der Weg dahin ist noch weit, aber sie wird das schaffen. Dr. Borsche, inzwischen pensioniert, hat noch viele OPs vor sich, zehn Stunden pro Tag, bis er nach Deutschland zurückkehrt.
Es wird nicht der letzte Einsatz im Haus der Hoffnung in Kathmandu sein: „Wir können leider keine Wunder bewirken, aber wir können das Leben von Kindern, die sonst keine Chance haben, lebenswert machen.“
Wenn Sie Kindern wie Nikki und Sujal helfen und „Ein Herz für Kinder“ unterstützen möchten, dann spenden Sie an:
Empfänger: BILD hilft e.V. Ein Herz für Kinder
IBAN: DE60 2007 0000 0067 6767 00
BIC: DEUTDEHH
Oder spenden Sie online unter www.ein-herz-fuer-kinder.de oder unter www.paypal.me/einherzfuerkinder
Am 9. Dezember um 20.15 Uhr findet im ZDF wieder die große „Ein Herz für Kinder“-Spendengala statt.