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Neue Erfindung macht das Leben von Diabetiker Jan (13) viel leichter

„Meine Bauchspeicheldrüse hat Knöpfe und ein Display“

15.12.2014

Seine Bauchspeicheldrüse ist kaum größer als ein Handy. Sie hat ein Display, vier Knöpfe und sie ist seine Lebensversicherung…

Sechs bis acht mal am Tag piekst Jan (13) in seinen Finger. Er braucht einen Bluttropfen, um seinen Zuckerwert messen zu können. Seit seinem zweiten Lebensjahr leidet der Junge aus Burgdorf (bei Hannover) an Typ-1-Diabetes (T1D).

Die Zuckerkrankheit ist die häufigste Stoffwechselerkrankung bei Kindern, deren Auftreten immer mehr zunimmt. Mit gefährlichen Risiken: Ist der Zucker zu hoch drohen Folgeerkrankungen, wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Nierenversagen, Erblindung und Amputation. Zu niedrige Werte führen zu Bewusstlosigkeit, Krämpfen, im Extremfall zum Tod. Besonders nachts ist eine genaue Insulindosierung schwierig – Kinder sind dann besonders von Unterzuckerung („Hypoglykämie“) bedroht.

Sowie Jan müssen weltweit rund 490 000 Kinder unter 14 Jahren aufgrund eines T1D medizinisch versorgt werden. Jedes Jahr kommen weltweit ca. 78 000 Kinder hinzu.

Für die kleinen Patienten bedeutet das: sie müssen mehrfach am Tag ihren Zuckerwert überprüfen und dem Körper entsprechend das Hormon Insulin zuführen, das nicht mehr von selbst produziert werden kann. Das erfordert viel Aufmerksamkeit. Nach dem Essen, bei körperlicher Aktivität oder auch nachts verändert sich der Blutzuckerspiegel – je nach Wert müssen die Insulinmengen definiert werden. [pageblock type=“gallery“][/pageblock]

Die kontinuierliche Insulinversorgung wird mittels einer Pumpe gewährleistet, die auch Jans ständiger Begleiter ist – aber dem Tagesverlauf entsprechend immer wieder manuell eingestellt werden muss.

Betroffene wie Ärzte träumen daher schon lange von einem Gerät, das automatisch den Zuckerwert misst, berechnet, welche Menge Insulin gebraucht wird und die richtige Hormon-Dosis über die Pumpe abgibt.

Das Krankenhaus „Auf der Bult“ in Hannover – Deutschlands größtes Diabeteszentrum für Kinder und Jugendliche – hat zusammen mit Forscherteams aus Israel und Slowenien ein solches Gerät entwickelt – eine künstliche Bauchspeicheldrüse. Jan gehört zu den 30 Patienten, die derzeit die automatische Insulinpumpe testen.

Wie funktioniert das Gerät?

Bei diesem sogenannten „Closed Loop“-System misst ein Sensor unter der Haut permanent den Blutzucker. Der Sensor ist mit einem Laptop und der Insulinpumpe verbunden. Die Daten des Sensors werden an den Computer weitergegeben, der dann berechnet, wie viel Insulin benötigt wird.

Die Vorteile der künstlichen Bauchspeicheldrüse: Das Laptop arbeitet viel genauer, der Blutzucker kann stabiler gehalten, einer gefährlichen Unterzuckerung, die vor allem nachts auftritt, vorgebeugt werden.

Bisherige Tests lassen hoffen, dass das Gerät schon bald Serienreife erlangt. Prof. Dr. med Olga Kordonouri (50), Chefärztin am Klinikum „Auf der Bult“: „Nachts läuft das Closed-Loop-System bereits zuverlässig.“ Ein Meilenstein, denn: „Im Schlaf merken die meisten Kinder nicht, wenn der Blutzucker plötzlich absinkt, das Closed-Loop-System sorgt dafür, dass die Werte stabiler gehalten werden. Eine gute Nacht und gute Blutzuckerwerte am Morgen, sind für Diabetes-Patienten entscheidend. Je länger sie in guten Werten bleiben, umso geringer wird das Risiko von Komplikationen, die Patienten leben länger, bleiben länger gesund.“

In der nächsten Phase der Studie, an deren Finanzierung „Ein Herz für Kinder“ beteiligt ist, soll nun auch am Tag die Zuverlässigkeit der künstlichen Bauchspeicheldrüse getestet werden. Zudem arbeiten die Forscher daran, dass das System nicht ausschließlich über ein Laptop zu bedienen ist. Denn für die Patienten ist das dauerhafte Mitführen des Laptops eher unpraktisch. Deshalb soll das System so angepasst werden, dass es kleiner und mobiler wird.

Und wann kommt das Gerät auf den Markt?

Prof. Kordonouri: „Realistisch ist ein Zeitraum von zwei bis fünf Jahren.“

Langfristig erhofft sich die Forscherin, dass die Diabetes-Patienten ähnliche Werte wie gesunde Menschen bekommen. Prof. Kordonouri: „Bei der Behandlung der Krankheit sollten wir alles ausschöpfen, was machbar ist. Die Technologie wird den Kindern helfen, noch besser und gesünder leben zu können. Das ist unsere Chance, die wir nutzen müssen.“

Themen: Erblindung Forschung Medizin Therapie