Marina (28) ist in der 31. Woche schwanger, als die Frauenärztin im Ultraschall drei weiße Flecken auf dem Herzen ihres Babys sieht.
Marina (28) ist in der 31. Woche schwanger, als die Frauenärztin im Ultraschall drei weiße Flecken auf dem Herzen ihres Babys sieht – und sagt, sie wisse nicht genau, was das bedeutet. Mit diesem Moment beginnt die Unsicherheit, die die Familie aus Mannheim nun ihr Leben lang begleiten wird. Die Unsicherheit, wie sich ihr Sohn Tim entwickelt. Im Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg wird klar: Tim leidet an einer seltenen Krankheit namens Tuberöser Sklerose Komplex, bei der sich überall im Körper Tumore bilden.Vater Rene (30, Maschinenbauingenieur) googelt die Krankheit, findet Videos, in denen Kinder schwerstbehindert sind, Pflegefälle, die weder essen noch sprechen noch laufen können. „Wir haben furchtbar geweint. Unser Glaube hat uns nach ein paar Tagen geholfen die Situation zu akzeptieren und unser Kind nicht aufzugeben. Wir haben uns erst mal von Informationen ferngehalten und auf die Geburt gewartet.“
Am 29.11.2015 kommt Tim zur Welt, 4200 Gramm schwer, 52 Zentimeter groß. „Ich legte ihn auf meine Brust, wollte ihm Nähe und Kraft geben, aber schon nach zehn Minuten mussten die Ärzte ihn mir wegnehmen, damit er untersucht werden konnte“, sagt die studierte Musikerin Maren. Die Experten befürchten, dass Tim nicht nur Tumore im Herzen hat, sondern auch im Hirn.Der kleine Mensch wird durch alle möglichen, riesigen Geräte geschoben, oft fixiert, damit er sich nicht zu sehr bewegt. An seinem 4. Lebenstag bekommt Tim sein erstes MRT, das zeigt: Er hat auch im Kopf einen Tumor, „SEGA“ nennen ihn die Ärzte.
Dieser Tumor kann den Abfluss des Hirnwassers stören und eine gefährliche Druckerhöhung verursachen. Außerdem können weitere Veränderungen in der weißen und grauen Hirnmasse zu epileptischen Krampfanfällen führen, die die Entwicklung massiv stören. Dr. Till Milde, Kinderonkologe: „Wir haben die Gene in Tims Tumoren untersucht und festgestellt, dass es eine Veränderung gibt, die zu stetigem Wachstum führt. Dadurch können wir ihm ein Medikament geben, das die Ursache bekämpft. Bis vor wenigen Jahren konnten wir nur die Symptome behandeln, aber nichts gegen die teils lebensbedrohlich groß werdenden Tumore tun.“Tim ist heute fast ein Jahr alt und spricht gut auf seine Therapie an. Der Tumor im Hirn wächst bisher nicht weiter, die Stellen im Herzen sind fast verschwunden. Tim ist ein fröhliches, aufmerksames Kind. Die Ärzte freuen sich, dass er greift, reagiert und fokussiert, also jemanden anguckt, der Kontakt zu ihm sucht. Alles gute Zeichen.
Nur krabbelt Tim noch nicht. „Eine gleichaltrige Tochter eines Kollegen kann das schon lange. Natürlich frage ich mich, wenn ich so was sehe, ob das normal ist, Tim einfach noch nicht so weit ist – oder ob es eben ein Zeichen der Krankheit ist, eine Entwicklungsstörung. Aber das kann man im Moment nicht wissen.“
Genau wissen kann man bei Tims Entwicklung leider wirklich kaum etwas. Die Ärzte sind sehr zufrieden mit ihm, er hatte bisher keinen großen Krampfanfall und je später solche Anfälle kommen, desto wahrscheinlicher ist, dass Tim sich weiter gut entwickeln wird. Wie wahrscheinlich es ist, dass er ein eigenständiges, normales Leben führen wird, einen durchschnittlichen IQ erreicht, eine Ausbildung machen kann, das weiß trotz der guten Medikamente niemand. Rene: „Wir leben in Dauer-Unsicherheit. Aber ehrlicherweise versuchen wir das anders zu sehen. Schließlich bedeutet das doch auch: Wir leben in Dauer-Hoffnung.“ Hoffnung für die Kleinsten – Neues Kindertumor-Zentrum in Heidelberg Damit Kindern wie Tim noch gezielter geholfen werden kann, entsteht in Heidelberg das neue „Hopp-Kindertumorzentrum am NCT“. Hauptsponsor ist die Dietmar Hopp Stiftung, aber auch die BILD-Hilfsorganisation „Ein Herz für Kinder“ unterstützt das engagierte Projekt.Prof. Stefan Pfister, einer der Direktoren des neuen Zentrums: „Wir verbinden Forschung und Behandlung und machen beides möglichst schnell allen Kindern zugänglich.“